Studie: Banken verabschieden sich vom Gratiskonto

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Deutsche Banken denken darüber nach, kostenlose Girokonten abzuschaffen und neue Gebühren einzuführen. Der Grund: 76 Prozent der Institute gehen davon aus, dass Gratiskonten vor allem wegen der europäischen Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) ihre Ankerfunktion verlieren. Weil die Kunden ihren Kontozugang für die Dienste anderer Anbieter freigeben könnten, spiele es kaum noch eine Rolle, wer das Konto führt. Deshalb sinken die Hemmungen bei den Instituten, angesichts der angespannten Ertragslage höhere Preise durchzusetzen und auch für bislang kostenfreie Angebote Gebühren zu verlangen. Das geht aus dem „Branchenkompass Banking 2019“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut hervor. 101 Führungskräfte aus der Bankbranche wurden befragt.

Verbraucher in Deutschland müssen sich darauf einstellen, dass ihre Bank sie bald zur Kasse bittet. Fast 30 Prozent der Institute möchten Gebühren für ihre Girokonten einführen oder weiter an der Preisschraube drehen. Jede fünfte Bank will zudem einen höheren Beitrag für Giro- und Kreditkarten verlangen. Depots für Wertpapiere sollen ebenfalls teurer werden. Darüber hinaus gelten negative Zinsen nicht mehr als Tabu. Weil sie für jeden Euro zahlen müssen, den sie bei der Europäischen Zentralbank verwahren, geben immer mehr Institute die dadurch entstehenden Kosten an ihre Kunden weiter. Elf Prozent planen, damit in nächster Zeit zu beginnen. „Der Widerstand gegen Minuszinsen für private Bankguthaben bröckelt“, sagt Tobias Keser, Business Unit Director Banking bei Sopra Steria. „Nach den institutionellen Anlegern und Unternehmenskunden kriegen jetzt auch die Privatkunden die Folgen negativer Zinsen zu spüren.“

Wirklich kostenlose Konten gebe es ohnehin kaum noch, so der Bankexperte. Das lasse die schwache Ertragslage einfach nicht mehr zu. Jüngste Zahlen zeigen, dass der Überschuss in der gesamten Branche 2018 um fast 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen ist. Großbanken kämpfen mit einem Ertragsschwund von mehr als 60 Prozent, wie der aktuelle Monatsbericht der Deutschen Bundesbank belegt. Weil sie die Preise frei bestimmen können, haben in den letzten Monaten immer mehr Anbieter damit begonnen, ihre Kontomodelle umzustellen und einzelne Dienste mit einer Gebühr zu belegen. Beispielsweise rechnen einige Institute für eine papierhafte Überweisung extra ab sowie für die Girocard oder den Telefonservice. „Komplett kostenlos sind meist nur noch Girokonten, die Kunden vor allem online und ohne persönliche Betreuung in der Filiale nutzen“, erklärt Tobias Keser.

Mehr als die Hälfte der Banken will neue Produkte und Dienste entwickeln, um ihre Kunden zu überzeugen. Dabei fällt zunehmend auch die Scheu, sich mit Fintechs und anderen Dienstleistern zusammenzutun und gemeinsam an einem verbesserten Angebot zu arbeiten. Ganz oben auf der Liste stehen Anwendungen für das Multibanking. Neun von zehn Instituten haben entsprechende Lösungen bereits entwickelt oder sind dabei, das zu tun. 85 Prozent beschäftigen sich mit Videochat- und Beratungen über das Internet. Online- und Mobilfunkzahlsysteme liegen bei 83 Prozent und damit gleichauf mit Big Data und künstlicher Intelligenz. 71 Prozent der Banken suchen angesichts dieser Entwicklungen nach einem veränderten Geschäftsmodell. „Durch die Digitalisierung und mit PSD2 ist ein Kampf um die Kundenschnittstelle entbrannt“, sagt Bankfachmann Keser von Sopra Steria. „Die Institute müssen investieren, um ihren Kunden das beste Gesamterlebnis zu bieten und sie im eigenen Ökosystem zu halten.“

 

Über die Studie:

Der „Branchenkompass Banking 2019“ fasst die Ergebnisse einer Online-Befragung von 101 Führungskräften aus Kreditinstituten in Deutschland zusammen. Darüber hinaus bieten vier persönliche Interviews mit Spitzenvertretern der Branche eine inhaltliche Einordnung und Vertiefung. Die Studie wurde von Sopra Steria gemeinsam mit dem F.A.Z.-Institut entwickelt und durchgeführt.

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Infografik zur Studie

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