GovTech-Gipfel: Start-ups fordern mehr Datendrehscheiben von der öffentlichen Verwaltung

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Sopra Steria und PUBLIC veröffentlichen Report zu Interoperabilität und APIs

Digitale Innovationen in der öffentlichen Verwaltung können beschleunigt werden, sobald mehr Interoperabilität durch sogenannte API-Schnittstellen geschaffen wird. Derzeit können Unternehmen und Behörden viele ihrer neu entwickelten Lösungen oder Tools nicht deutschlandweit ausrollen, weil IT-Systeme nicht miteinander kommunizieren und Daten austauschen können. Das ergibt der Report „Öffentliche APIs und GovTech: Mit Interoperabilität Innovation fördern“ von Sopra Steria und PUBLIC. Der Report wird zum GovTech-Gipfel in Berlin veröffentlicht.

APIs – zu Deutsch „Programmierschnittstellen“ – ermöglichen den automatischen und effizienten Austausch von Daten über die Grenzen von Systemen und Organisationen hinweg. In der Internetwirtschaft sind APIs gang und gäbe. Online-Händler öffnen ihre Systeme beispielsweise, damit Entwickler dort mit ihren Apps andocken können und so das Kauferlebnis steigern. Im Bankensektor sind APIs seit der Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 ebenfalls auf dem Vormarsch.

In der öffentlichen Verwaltung werden APIs bislang nur sporadisch genutzt, kaum systematisch nachgehalten und nur selten für externe Unternehmen geöffnet. Speziell GovTech-Start-ups könnten mit einer stärkeren Öffnung der Systeme dem digitalen Umbau in der Verwaltung mehr Schwung geben. „Die öffentliche Verwaltung kann noch stärker vom kreativen Denken und Schaffen von externen und internen Akteuren profitieren. Damit allerdings Dienste, die zum Beispiel von Start-ups oder von Behörden in Hamburg entwickelt wurden, in Bayern nachgenutzt werden können, müssen die Systeme dieser Länder miteinander kommunizieren können,“ sagt Dr. Andreas Simon, Client Unit Partner im Geschäftsbereich Public Sector von Sopra Steria.

An dieser Fähigkeit des Datenaustauschs und des Andockens von Geschäftsprozessen hapert es, so der Report: Mehr als die Hälfte der 24 befragten GovTechs sieht den Stand der Interoperabilität zwischen öffentlichem Sektor und Start-ups als „eher negativ“ oder sogar „sehr negativ“. Teilweise müssen Fachverfahren und technische Schnittstellen in jedem Bundesland oder jeder Kommune neu implementiert werden. Das macht die Entwicklung für viele Unternehmen unwirtschaftlich.

Hoffnungsträger API-First

Die Start-ups hoffen nun auf die stringentere Umsetzung des so genannten API-First-Ansatzes. Jedes vierte befragte GovTech-Unternehmen sieht hierin den Schlüssel, um die Zusammenarbeit mit Bund, Ländern und Kommunen und damit ihr Geschäft auszubauen. Das Bundesinnenministerium (BMI) und der IT-Planungsrat haben in ihren 2017 und Ende 2021 beschlossenen IT-Architekturrichtlinien die Förderung und Nutzung öffentlicher APIs und des API-First-Ansatzes auf den Weg gebracht. Die Klärung der konkreten Ausgestaltung steht allerdings noch aus.

Auf dem Weg in das API-Zeitalter startet die öffentliche Verwaltung in Deutschland nicht bei null. Schnittstellen kommen sowohl in der internen als auch in der externen Zusammenarbeit zum Einsatz. Allerdings basieren die APIs intern und extern auf verschiedenen Standards. „Die APIs in Deutschland sind veraltet, für Externe nicht zugänglich, und sie entsprechen oft nicht den Richtlinien von BMI und IT-Planungsrat. Die bestehende öffentliche IT-Infrastruktur sollte deshalb schnell für das API-Zeitalter vorbereitet werden“, sagt Ronald de Jonge, Operating Officer Public Sector bei Sopra Steria.

Mehr als zwei Drittel der befragten GovTech-Start-ups würden gerne in die API-Umsetzung und das Definieren von Standards eingebunden werden. So könnten Anforderungen der öffentlichen Verwaltung und der Start-ups besser aufeinander abgestimmt werden. „Start-ups müssen systematisch in die API-Spezifizierung einbezogen werden. Sie entwickeln schließlich zugeschnittene innovative und digitale Lösungen, von denen die öffentliche Verwaltung und die Start-ups gleichermaßen profitieren“, sagt Markus Schlosser, Leiter Public Sector bei Sopra Steria.

Vom Ausland lernen, auch von den Fehlern

Standards und eine zentrale Koordinierungsstelle für öffentliche APIs sind Schlüsselfaktoren dafür, dass die öffentliche Verwaltung künftig stärker von verwaltungsinternen und externen Innovationen profitiert. Das zeigt auch der Blick ins Ausland: Sopra Steria und PUBLIC haben für den Report gezielt Fallstudien in vier Ländern (Frankreich, Großbritannien, Italien, Singapur) analysiert. Diese Länder haben vor Deutschland mit der API-Förderung begonnen. Heraus kam, dass beispielsweise Frankreich und Großbritannien mit der Nutzung von APIs weiter sind als Deutschland.

Deutschland kann von den Erfahrungen in diesen Ländern lernen – sowohl von Best Practices als auch von den Fehlern. Von großem Vorteil ist beispielsweise ein breites Bewusstsein in sämtlichen Verwaltungsteilen, wie nützlich und wichtig Interoperabilität für den Transformationsfortschritt ist. „Eine unserer neun Handlungsempfehlungen aus dem Report ist, API-Guides zu schaffen, um Verwaltungsangestellte besser über API-Konzepte, -Mehrwerte und -Praktiken zu informieren. In Großbritannien gibt es beispielsweise eine große öffentliche Datenbank solcher API-Guides“, sagt Moritz Kleinaltenkamp, Lead für Intelligence & Insights bei PUBLIC.

Fehlende Leitplanken (Governance) können zudem leicht in einem API-Wildwuchs enden, der die Zusammenarbeit der GovTech-Start-ups mit der Verwaltung verkompliziert. Das zeigt das Beispiel Singapur, wo die Verantwortlichen den Schritt der Standardisierung inzwischen nachholen. „Ideal für Deutschland wäre ein zentrales Team, das bestehende APIs identifiziert, katalogisiert und die Entwicklung von Standards vorantreibt. Dieses Team sollte personell stark besetzt und mit innerbehördlichem Auftrag ausgestattet sein“, sagt Darius Selke, Managementberater im Geschäftsbereich Public Sector von Sopra Steria.

Methodik des Reports
Der Report „Öffentliche APIs und GovTech: Mit Interoperabilität Innovation fördern“ basiert auf zwei Teilen:

  1. einer Online-Befragung. Im März und April 2022 wurden 24 GovTech-Start-ups in Deutschland befragt, wie sie den gegenwärtigen Stand der Interoperabilität und der Nutzung von APIs im öffentlichen Sektor Deutschlands einschätzen und welche Bedürfnisse sie haben. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, liefert allerdings nützliche Anhaltspunkte dafür, Bedürfnisse und Einschätzungen zur Interoperabilität nachzuvollziehen.
  2. einer Untersuchung von internationalen Fallstudien in vier Ländern (Frankreich, Großbritannien, Italien, Singapur). Jedes dieser Länder hatte vor 2017 – der Veröffentlichung der IT-Architekturrichtlinie des BMI – mit der systematischen Förderung und Nutzung von öffentlichen APIs begonnen. Je Land wurde ein semistrukturiertes Interview mit Vertreterinnen und Vertretern jener Organisationen durchgeführt, die in dem entsprechenden öffentlichen Sektor mit der Förderung öffentlicher APIs betraut sind. Ergänzend zu diesen Interviews wurden die API-Landschaften der Länder im Rahmen einer Literaturrecherche untersucht. Die Analyse konzentriert sich auf drei Faktoren:

i. Entstehungsgeschichte und aktueller Stand der API-Landschaft
ii. API-Governance
iii. Herausforderungen und Erfolgsfaktoren

Zum Report


Fachbeiträge von Sopra Steria zum GovTech-Gipfel 

Interoperabilität: Schnittstelle zur Zukunft der öffentlichen Verwaltung

Intrapreneurship: Auf die Innensicht der Verwaltungstransformation kommt es an

 

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