Finanzsektor vernachlässigt Data-Science-Potenzial zur Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle

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Über das Potenzial fortgeschrittener Datenanalytik herrscht in den Führungsetagen deutscher Unternehmen weitgehend Einigkeit. Auch Banken und Versicherungen erwarten vom Data-Science-Einsatz mehrheitlich verbesserte Entscheidungsgrundlagen sowie eine höhere wirtschaftliche Performance – wie aus einer aktuellen Potenzialanalyse von Sopra Steria hervorgeht. Allerdings zielen die meisten bereits angelaufenen Projekte auf abteilungsspezifische Fragestellungen, während übergreifende Datenauswertungen noch immer Seltenheitswert haben. Etablierte Finanzdienstleister verpassen damit die Gelegenheit, ihre Marktanteile durch datengetriebene Geschäftsmodelle langfristig zu sichern und sich zugleich neue Umsatzquellen zu erschließen.

 

Im Zuge der Digitalisierung fallen auch in der Finanzwirtschaft massenhaft Daten an, die von Banken und Versicherungen verstärkt als Rohstoff für fortgeschrittene Analyseanwendungen eingesetzt werden. Laut der aktuellen Potenzialanalyse Data Science von Sopra Steria erhofft sich die Branche vor allem eine verbesserte wirtschaftliche Performance (93 Prozent) sowie beschleunigte und besser fundierte Entscheidungsprozesse (90 Prozent). Rund die Hälfte aller Unternehmen setzt bereits Datenanalysen ein – und zwar vorrangig zur Kundenbindung und -gewinnung, zur Minimierung von Kreditrisiken, zur Betrugsprävention sowie in Versicherungen auch zur Schadensprüfung und Schadensvorhersage. Zu diesem Ergebnis kommt die gemeinsame Anwenderstudie „Advanced and Predictive Analytics“ von Sopra Steria und dem Business Application Research Center (BARC).

Die meisten Analysen richten sich bislang auf isolierte, abteilungsspezifische Fragestellungen. Nur sehr vereinzelt sind bereits abteilungsübergreifende Data-Science-Projekte anzutreffen – nämlich bei lediglich neun Prozent der befragten Finanzdienstleister. Mit 17 Prozent liegt der Durchschnittswert über alle betrachteten Branchen zwar fast doppelt so hoch, doch zeigt auch diese Zahl, dass ganzheitliche Data-Science-Anwendungen generell noch in den Kinderschuhen stecken. „Geschäftsprozesse nehmen keine Rücksicht auf Abteilungs- oder Unternehmensgrenzen. Analyseprojekte, die Daten aus verschiedenen Bereichen zusammenführen, fördern grundlegend neues Wissen zutage und liefern damit eine wertvolle Basis für innovative Servicemodelle und effizientere Prozesse“, sagt Stefan Seyfert, Leiter der Kompetenzunit Datenmanagement bei Sopra Steria. „Angesichts verschärfter Wettbewerbsbedingungen und branchenfremder Konkurrenz durch Fin-Tech-Startups und digitale Unternehmen sollten klassische Finanzdienstleister die Chancen von Data Science für neuartige Geschäftsmodelle und höhere Prozesseffizienz keinesfalls ungenutzt lassen.“ Seinen Worten zufolge gilt es, den maximalen Nutzen aus den verfügbaren Daten zu ziehen und einen Wettbewerbsvorteil durch Informationen zu erzielen. Das Verstehen bislang unbekannter Zusammenhänge schafft die Grundlage für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung und die Transformation zu datengetriebenen Geschäftsmodellen.

Erste Ansätze für datengetriebene Servicemodelle in der Versicherungswirtschaft zeigen sich laut Managementkompass Data Science von Sopra Steria beispielsweise in telematischen Angeboten, die den Kfz-Tarif per Fahrdatenauswertung kundenindividuell an das jeweilige Fahrverhalten anpassen. Gleichwohl überwinden Versicherer mit einem isolierten Telematik-Service noch nicht ihre alte produkt- und spartenorientierte Abteilungsorganisation. „Dafür ist vielmehr eine veränderte Sichtweise erforderlich, die sich von bestehenden Servicestrukturen löst und die veränderten Lebens- und Konsumgewohnheiten der heutigen Kundengeneration ins Auge fasst“, so Stefan Seyfert. Mit dieser neuen Perspektive könnte der Telematik-Service zum Beispiel folgendermaßen erweitert werden: Die Sensorik im Auto erfasst nicht nur das Fahrverhalten und alarmiert bei einem Unfall automatisch den Rettungsdienst. Vielmehr ließe sich anhand der Sensordaten zudem das Unfallgeschehen exakt analysieren, sodass systemseitig eine Erstindikation zur Schadenshöhe möglich wird. Die Kfz-Versicherung generiert in einem solchen Szenario noch an Ort und Stelle einen konkreten Mehrwert für den Versicherten und beschleunigt zugleich den hausinternen Schadenbearbeitungsprozess. Bei einem ganzheitlich gedachten Telematik-Service stellen Kundennutzen und Kostenersparnis dank Effizienzgewinn somit keinen Gegensatz dar. Ein großes Potenzial bietet zudem ein unternehmensübergreifender Datenaustausch – zum Beispiel zwischen Versicherungen und Automobilherstellern: Dieser ließe in Verbindung mit sensorgenerierten Fahrzeugdaten unter anderem Rückschlüsse auf die Belastbarkeit einzelner Komponenten zu, die zur Optimierung von Produktion und Wartung genutzt werden könnten. Für Versicherungen hätte dies in der Konsequenz einen Rückgang technisch bedingter Schadenfälle zur Folge. 

Über die Studie:
Im Februar 2016 ließ Sopra Steria insgesamt 220 Vorstände und Führungskräfte aus Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zum Thema „Data Science“ befragen. Die Studienteilnehmer stammten aus unterschiedlichen Branchen – darunter Banken, Versicherungen und sonstige Finanzdienstleister, Energieversorger, Automotive, verarbeitendes Gewerbe, öffentlicher Sektor, Telekommunikation und Medien. Explizit ausgeschlossen waren Beratungsfirmen und Anbieter von IT-Lösungen. Die Erhebung fand in Form einer Online-Panel-Umfrage statt.

Der Managementkompass „Data Science“ steht hier zum Download zur Verfügung. Die Potenzialanalyse finden Sie hier.

 
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